An einer langfristigen und abgestimmten Zusammenarbeit von pädiatrisch forschenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterschiedlicher Fachrichtungen, die ihre Kompetenzen und ihr Wissen in Zentren bündeln und auf gemeinsame Ziele ausrichten, hat es bisher gemangelt. Dass sollte sich dringend ändern und könnte sich jetzt auch ändern.
Denn das neue Deutsche Zentrum für Kinder- und Jugendgesundheit (DZKJ) - ein bundesweiter Zusammenschluss von sieben DZKJ-Partnerstandorten (Berlin, Göttingen, Greifswald/Rostock, Hamburg, Leipzig/Dresden, München, Ulm) - soll nun genau die Vernetzungsfunktion der pädiatrischen Forschung übernehmen, an der es bisher gefehlt hat. Sie reiht sich damit ein in die „Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung“, die sich bereits schon länger gemeinsam mit der Erforschung von Diabetes, Infektionskrankheiten, Krebs, Herz-Kreislauf-, Lungen- sowie neurodegenerativen und psychischen Erkrankungen befassen.
Das wissenschaftliche Gesamtkonzept des DZKJ enthält sieben zentrale Forschungsschwerpunkte
· Seltene genetische Erkrankungen
· Immunsystem, Entzündungen, Infektionen
· ZNS-Entwicklung und neurologische Erkrankungen
· Adipositas, Metabolismus
· Frühe Einflussfaktoren auf Gesundheit und Krankheit
· Psychosoziale Gesundheit, mentale Gesundheit
· Community medicine.
In der Zusammenarbeit mit weiteren Hochschulstandorten und der interdisziplinären Vernetzung aller Akteure sieht die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin die große Chance, klinische Forschung und klinische Anwendung künftig von der Entwicklung neuer Methoden der Präzisionsdiagnostik sowie innovativer Strategien der Zell- und Gentherapie bis hin zur personalisierten Therapie insbesondere auch bei seltenen Krankheiten stärker als bislang gemeinsam zugunsten der Kinder und Jugendlichen zu bündeln und zu fördern.
Ob das aber tastsächlich gelingt, bleibt erst mal abzuwarten. Die ganze – überaus sinnvolle - Vernetzung von 7 pädiatrischen Forschungsstandorten bringt nämlich nichts, wenn es der universitären Forschung nicht gelingt, über ihre qualitativ hochwertigen wissenschaftlichen Kenntnisse hinaus den Bezug zur Praxis und zur Praktikabilität herzustellen. Beispielhaft wird dies am Themenkomplex „Adipositas, Metabolismus“ deutlich. Zwar besteht auch über die Physiologie der Körpergewichtsregulation und die zugrunde liegenden genetischen Faktoren noch Forschungsbedarf, um die Pathogenese der Adipositas schlüssig aufzeigen und daraus personalisierte Therapien entwickeln zu können. Mindestens genauso wichtig wäre es aber auch, Forschungsprogramme aufzulegen, wie man der Adipositas in jungen Jahren endlich – am besten bereits präventiv - zu Leibe rücken kann und welche strukturellen wie finanziellen Voraussetzungen hierfür erfüllt sein müssen. Darauf warten Ärzte und Therapeuten, die sich täglich mit dieser für viele frustrierenden Thematik befassen, schon lange.
Analoges gilt auch für andere Forschungsthemen wie der Stärkung der psychosozialen Gesundheit oder den frühen Einflussfaktoren auf Krankheiten oder der community medicine sowie mental health Fragen, wie sie prioritär an den Standorten in Rostock und Greifswald im Fokus stehen sollen. Behandler, die in diesen Feldern tätig sind, brauchen hier gerade aus der wissenschaftlichen Forschung viel mehr evidente und durch valide Forschungen erhärtete Belege dafür, was sie in der Praxis konkret tun und was sie tunlichst lassen sollten.
Die Forschenden im DZKJ müssen daher schnell und dringend aus ihrem wissenschaftlichen Glashaus auszubrechen, in dem sie bisher wohlbehütet und häufig abgeschottet – und damit weit weg von den Versorgungproblemen im Alltag - gesessen haben.
Weitere Informationen: Webseite des Deutschen Zentrum für Kinder- und Jugendgesundheit