Der Mangel an niedergelassenen Fachärzten gefährdet zunehmend auch die Patientenversorgung im Bereitschaftsdienst gerade im ländlichen Raum. Doch welche Alternativen sind denkbar? Ein modellhaftes Versorgungsmodell in Niedersachsen zeigt nun vollständig neue Optionen auf.
Ausgangspunkt der 2022 veröffentliche Ergebnisse ist die Neufassung der Berufsgesetzgebung zum Notfallsanitäter, das Möglichkeiten für eine vermehrte Delegation primär ärztlicher Tätigkeiten eröffnet. Auch im ärztlichen Notdienst. Eine wichtige Rolle spielt hierbei die Telemedizin, mit deren Hilfe eine Supervision von geschulten Gesundheitsfachkräften durch Telemediziner möglich wird. Pilotprojekte mit rettungsdienstlicher Ausrichtung sind bereits erfolgreich etabliert worden. Eine Anwendung im Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigungen fehlte bislang.
Durch die Kooperation von Kassenärztlicher Vereinigung Niedersachsen, Johanniter Unfall-Hilfe e. V. (JUH) und dem Klinikum Oldenburg AöR wurde nun ein Versorgungsmodell entwickelt, das genau diese Option ermöglicht. Als Pilotregion dienten die Bereitschafsdienstbezirke der Stadt Delmenhorst sowie der Gemeinden Lemwerder und Ganderkesee, in denen die Dienstbesetzung zunehmend schwerer sicherzustellen war. Seit 1. Juli 2018 sind in den folgenden 30 Monaten 1.428 Einsatzprotokolle sowie 1284 Fragebögen zu den Einsatzeffekten (01.01.2019 bis 31.12.2020) von nichtärztlichen Mitarbeitenden, die über die Rufnummer 116117 eingingen, analysiert und deskriptiv statistisch ausgewertet worden. War ein Haubesuches erforderlich, wurde der mit Gesundheitsfachkräften besetzten Fahrdienst informiert, der dann die Patienten aufsuchte.
Um für diese ursächlich ärztlichen Aufgaben im Notdienst fachlich gewappnet zu sein, mussten die nichtärztlichen Mitarbeiter eine fundierte Ausbildung vorweisen. Diese beinhalteten mindestens den Nachweis als staatlich examinierter Gesundheits- und Krankenpfleger, Notfallsanitäter und Altenpfleger. Zudem mussten die Gesundheitsfachkräfte in die Technik und Software eingewiesen werden. Hierzu wurden entsprechend erfahrene Personalkräfte der JUH in zwei jeweils achtstündigen Seminaren durch einen erfahrenen Dienstarzt der KV geschult.
Wie die Ergebnisse zeigen, waren die nichtärztlichen Mitarbeiter so für den Notdienst bestens gewappnet. Am häufigsten waren die Gesundheitsfachkräfte am Einsatzort beim Beratungsgespräch (79,3 %) und bei der Unterstützung der Medikation durch die vor Ort vorhandenen Medikamente (10,4%) gefordert. Wenig überraschend war dabei, dass die Gruppe der über 71-jährigen mit 58 % die größte Patienteneinheit darstellte. Weitere wichtige Ergebnisse im Detail:
· Mit einem Anteil von 76,7 % der Gesamteinsätze konnte der Großteil der Einsätze – zum Teil unter Zuhilfenahme der Telemedizin - eigenständig durch die Gesundheitsfachkräfte bearbeitet werden.
· In 63,5 % der Fälle konnte das Anliegen so geklärt werden, dass der Patient zu Hause verbleiben konnte. In 36,5 % der Fälle wurde ein physischer Arztkontakt empfohlen.
· Lediglich 2,1 % der Einsätze bedürfen ärztlicher Maßnahmen in Delegation, wie zum Beispiel Urinkatheteranlagen und -entfernungen oder ärztlich vorzunehmende Medikationen.
Insgesamt konnte belegt werden, dass in 89,2 der Gesamtfälle mit Telemedizineinsatz eine suffiziente Patientenbehandlung möglich war, die als hilfreich für die Versorgung vor Ort eingestuft wurde. Da verwundert es nicht, dass beide Gruppen das Pilotprojekt überwiegend positiv beurteilten.
Um es aber insbesondere im ländlichen Raum auszubauen, ist der Ausbau des schnellen Internets und der digitalen Versorgungssysteme unabdingbar, stellt Dr. Daniel Overheu, Ärztlicher Leiter Telemedizin am Universitätsklinikum Oldenburg, abschließend unmissverständlich klar. Doch daran hapert es hierzulande nach wie vor – gewaltig.