Bisher waren die ersten beiden Auflagen der Copsy-Studie (Corona und Psyche) aus 2020/2021 mit ihren Botschaften eindeutig: Kopfweh, Gereiztheit, Schlafprobleme. Die seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist durch die Pandemie massiv beeinträchtigt. Die Anfang 2022 veröffentlichten Ergebnisse der nun vorliegenden dritten Befragungsrunde des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) zeigen zum ersten Mal ein etwas differenzierteres Bild: Unter den Folgen der Corona-Pandemie leiden zwar nach wie vor spürbar die seelische Gesundheit und das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen. Doch es gibt jetzt erstmals auch positive Trends.
Für die dritte Befragungsrunde wurden von dem UKE-Forschungsteam nach den Sommerferien von Mitte September bis Mitte Oktober 2021 mehr als 1.100 Kinder und Jugendliche im Alter von 7 und 17 Jahren und mehr als 1600 Eltern mittels Online-Fragebogen befragt. Fast 75 Prozent der befragten Kinder und Eltern hatten bereits an der ersten Befragung nach dem ersten Lockdown im Mai/Juni 2020 und an der zweiten Befragung während des zweiten Lockdowns im Dezember 2020/Januar 2021 teilgenommen.
Welche Erkenntnisse können nun aus den neuen Daten gezogen werden? Im vergangenen Herbst bereits gab es mit der Beendigung der strikten Kontaktbeschränkungen, der Öffnung der Schulen sowie Sport- und Freizeitmöglichkeiten wieder ein wenig mehr Normalität für Kinder und Jugendliche. Das psychische Wohlbefinden und die Lebensqualität der Jungen und Mädchen hatten sich dadurch im Vergleich zu früheren Befragungen während der Pandemie verbessert. Dennoch fühlte sich auch eineinhalb Jahre nach Pandemiebeginn mehr als ein Drittel der Kinder und Jugendlichen in der Lebensqualität eingeschränkt, vor der Corona-Krise traf dies nur für ein Fünftel der Befragten zu.
Die psychischen Auffälligkeiten wie Ängstlichkeit und depressive Symptome sind laut der Studie jedoch leicht zurückgegangen. So wiesen etwas weniger Kinder psychische Auffälligkeiten auf als bei den ersten beiden Befragungen. Trotz dieser leichten Verbesserungen fühlen sich immer noch acht von zehn Kindern und Jugendlichen durch die Corona-Pandemie belastet. Psychosomatische Stresssymptome wie Gereiztheit, Einschlafprobleme und Niedergeschlagenheit treten im Vergleich zu vor der Pandemie weiterhin deutlich häufiger auf. Die Kinder klagen auch häufiger über Kopf- und Bauchschmerzen.
Das Gesundheitsverhalten hat sich im Verlauf etwas verbessert, da die Kinder und Jugendlichen wieder mehr Sport trieben und den Medienkonsum einschränkten. Mütter und Väter können wohl inzwischen den Alltag besser organisieren und gaben auch weniger depressive Verstimmungen an. In der dritten Befragung berichten die Kinder und Jugendlichen zudem über weniger Streit in der Familie, weniger schulische Probleme und ein besseres Verhältnis im Freundeskreis im Vergleich zu den Befragungen davor.
»Die meisten Kinder und Jugendlichen werden die Krise vermutlich gut überstehen.« Davon zumindest ist Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sieberer, Leiterin der COPSY-Studie, überzeugt. Das gelte vor allem für diejenigen Kinder und jungen Menschen, die aus familiär gefestigten Verhältnissen kommen.
Doch Vorsicht! Diesen Optimismus verbreitete die Forschungsdirektorin der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf vor Ausbruch des Ukraine-Krieges. Doch die „Normalität“, die sie für erfolgreiche Bewältigungsprozesse als zwingend notwendig erachtet, ist plötzlich nicht mehr vorhanden. Auch in stabilen Familienverbünden nicht mehr.
Die Angst vor einer Ausweitung des Krieges oder dessen nachhaltige Folgen ist allgegenwärtig. Deshalb muss man befürchten, dass die aktuellen psychischen Folgen der Pandemie zusammen mit dem Ukraine-Krieg für junge Menschen weitaus belastender sind, als dies alle Umfragen derzeit zum Ausdruck bringen können.
Die vorsichtigen Lichtblicke am Horizont sind so wohl schneller wieder verschwunden als wir das jemals auch nur erahnen konnten.