Die Corona-Pandemie hat 2020 alles auf den Kopf gestellt. Auch in den Schulen. Wäre das nicht auch eine gute Gelegenheit, endlich über einen späteren Schulbeginn nachzudenken? Nach neuen Studientaten aus den USA wäre das überfällig.
Ähnlich wie in den USA beginnt in Deutschland die Schule oft zwischen 7.00 und 8.15 Uhr und damit deutlich früher als in den Nachbarländern. Führt dies tatsächlich zu dem vielbeklagten Schlafdefizit? Und könnte durch einen späteren Schulstart der Schlafmangel reduziert werden?
Diesen Fragen ist nun ein US-amerikanisches Forscherteam nachgegangen. Dazu sind 455 Schüler von 5 US-amerikanischen Gymnasien mit einem Durchschnittsalter von 15 Jahren insgesamt 2 Jahre lang von einem Forscherteam unter Federführung von Dr. Rachel Widome von der Universität Minnesota beobachtet worden.
Zu Beginn der Studie starteten alle beteiligten Schüler zwischen 7.30 und 7.45 Uhr mit dem Unterricht. Ein Jahr später, nach der ersten Nachuntersuchung, verlegten zwei Schulen ihren Unterrichtsbeginn auf den Zeitrahmen zwischen 8.30 und 8.45. Die Forscher untersuchten und verglichen dabei Schlafdauer, Einschlaf- und Aufwachzeiten sowie die Schlafqualität.
Die wichtigsten Ergebnisse:
· Die Kinder, die eine Schule mit späterem Unterrichtsbeginn besuchten, schliefen pro Nacht im ersten Jahr tatsächlich durchschnittlich 41 Minuten mehr, ein Jahr später waren es sogar 43 Minuten mehr. Damit wird drei Viertel der Zeit, die mit einem späteren Schulstart einhergeht, mit zusätzlichem Schlaf verbracht. Das ist ein hoch signifikantes Ergebnis.
· Diese Effekte müssen auch nicht relativiert werden, da ein späterer Schulstart keine späteren Einschlafzeiten zur Folge hatte. Das wird immer wieder als Gegenargument für einen späteren Schulbeginn vorgebracht.
· Schüler, die später zur Schule gehen durften, hatten auch am Wochenende einen spürbar geringeren Bedarf (zwischen 24 und 34 Minuten), Schlaf nachzuholen, als diejenigen, die eine Stunde früher aufstehen mussten.
Die Ergebnisse zeigen also, dass ein späterer Schulbeginn ab 8.30 Uhr tatsächlich den weit verbreiteten Schlafmangel von Schülern vermindern kann. Davon profitieren also jetzt bereits die Schüler in einigen Nachbarländern Deutschlands, bei denen die Schule später startet. Und das kann auch den Schulleistungen zugutekommen. Denn Schlafdefizite können Aufmerksamkeitsprobleme oder psychische Probleme erhöhen oder gar auslösen, bestätigen Ergebnisse von Forschungen an der Universität Indiana.
Sämtliche Forscher plädieren daher für einen späteren Unterrichtsbeginn. Wenn Schüler in der Regel täglich bis maximal 8.00 Uhr schlafen könnten, würden sie sich an ihren natürlichen Schlafrhythmus anpassen, wodurch die Schlafenszeiten merklich erhöht würden. Anstatt weniger als 7 Stunden pro Nacht, könnten so viele Jugendliche zumindest annähernd 8 Stunden oder mehr schlafen. Dies würde auch eher ihrem Biorhythmus entsprechen.
Ein späterer Schulstart würde also tatsächlich die Bildungschancen von Schülern erhöhen und käme auch ihrer Gesundheit zugute. Die Frage ist nur, warum sich die verantwortlichen Politiker hierzulande bisher so vehement dagegenstemmen. Eine Kurskorrektur ist überfällig, denn sie wäre eine Win-Situation für alle Beteiligten.
Dafür müssten jedoch alte Zöpfe, an die sich alle mit der Zeit angepasst haben, abgeschnitten werden, weil sie längst nicht mehr zeitgemäß sind und auch aus wissenschaftlicher Sicht dem Biorhythmus von Kindern und jungen Menschen entgegenstehen.
Bleibt nur die Hoffnung, dass Corona vielleicht auch hier althergebrachte Gewohnheiten auf den Kopf stellt!